Mygnia Sammelband Nr. 1: Erste Begegnungen (German Edition) by Olsberg Karl & Voß Olaf

Autor:Olsberg, Karl & Voß, Olaf [Olsberg, Karl]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-12-14T23:00:00+00:00

5.

Der Gehörnte namens Gord hielt eine der schrumpeligen Früchte hoch, die Lukas unter all dem merkwürdigen Zeug, das ihm Gords Artgenossen gebracht hatten, als essbar identifiziert hatte. Er machte eines der knurrenden Geräusche, die sie als Sprache benutzten.

„Klurrk“, bemühte sich Lukas den Laut zu imitieren.

Gord wiederholte das Knurren.

„Kluruk. Klurchuk“, versuchte es Lukas erneut.

Damit schien Gord zufrieden zu sein.

Lukas nahm ihm die Frucht aus der Hand und biss hinein. Der nussige, leicht süßsaure Geschmack gefiel ihm immer besser. Er rieb sich demonstrativ den Bauch. „Klurchuk kaura!“ Kaura war das Wort für „gut“ in der Sprache der Gehörten, die sich selbst als Urch Gol bezeichneten, als Volk des Erdbodens, vielleicht auch Volk der Steine. Lukas war sich nicht immer sicher, ob er die Worte, die Gord ihm beibrachte, richtig deutete. Aber allmählich bekam er ein Gefühl für die kollernde Sprache.

Gords Sprachunterricht war der einzige Lichtblick in der Finsternis der Höhle. Lukas mochte das gehörnte Wesen, das ihn offenbar noch immer für einen mächtigen Gott oder sowas hielt. Die anderen dagegen waren ihm nach wie vor unheimlich, vor allem die Rasa, wie Gord sie nannte – so eine Art weiblicher Häuptling und Medizinfrau in einem.

Er wusste längst, dass die Gehörnten ihm nichts Böses wollten, aber ihm war inzwischen auch klar, dass sie keine Ahnung hatten, wie er in ihre Welt gekommen war. Sie hatten diesen seltsamen Vorhang aus Licht, den er für einen Beamstrahl gehalten hatte, nicht absichtlich herbeigeführt - es war einfach passiert. Beim ersten Mal war Gord in die Welt der Menschen gestolpert, beim zweiten Mal war er gemeinsam mit Lukas hierher zurückgekehrt. Vermutlich waren die Lichterscheinungen von den Experimenten der Physiker mit ihrer komischen Strahlenkanone erzeugt worden, die sie tief in der Erde genau unter Lukas‘ Zuhause gebaut hatten. Mami und Heiner hatten manchmal darüber gesprochen, dass diese Experimente gefährlich waren.

Zuhause. Sobald er auch nur an das Wort dachte, schossen ihm die Tränen in die Augen. Er würde das Haus und den Garten nie wiedersehen, nie wieder in seinem Zimmer spielen, nie mehr von Mami in den Arm genommen werden.

Er spürte Gords Hand sanft an seinem Arm. Sein neuer Freund schien seine Trauer zu fühlen. Er wollte ihn trösten. Aber welchen Trost gab es, wenn man allein in einer finsteren Höhle gefangen war, in einer unbegreiflich fremdartigen Welt, ohne die Aussicht, jemals zu entkommen?

Lukas hatte es versucht. Vor zwei oder drei Tagen – er wusste nicht genau, wie lange er nun schon hier war – war er in der Finsternis aufgewacht. Er hatte nach dem kugelförmigen Käfig mit dem Wesen getastet, von dem er inzwischen wusste, dass es Jaglom hieß, was so viel wie Lichtkrabbler bedeutete. Er hatte den Käfig leicht geschüttelt, um das raupenähnliche Tier zum Leuchten anzuregen. Dann war er aufgestanden und auf der Suche nach einem Ausgang durch die Höhle geirrt.

Die Gehörnten hatten ihn stumm beobachtet. Sie hatten nicht versucht, ihn aufzuhalten. Er war stundenlang durch gewundene Gänge gelaufen, in respektvollem Abstand gefolgt von einigen Höhlenbewohnern, doch er hatte keinen Ausweg aus dem unterirdischen Labyrinth gefunden. Irgendwann

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